Schließung des Heimathafens – Geist der Rücksichtslosigkeit

Was in der Öffentlichkeit unter dem kargen Stichwort „Heimathafen“ läuft, betrifft viel mehr: Es ist …

  • das Café als sozialer Treffpunkt,
  • das Hafenkollektiv mit seiner Holzwerkstatt und
  • der Bootshafen mit seiner Backwerkstatt

alles in Betrieb seit 2020/2021.

Bündnis 90/Die Grünen haben damals schon kritisiert, dass die neuen Bereiche ohne Business- und Wirtschaftsplan eröffnet wurden. Von Beginn an gab es Hinweise auf finanzielle Schieflagen, die sich noch zu Landrats Webers Zeiten auf über 820.000 Euro aufaddierten, in Corona-Zeiten kompensiert werden konnten und nun wieder dramatisch ansteigen. Die Fraktion der Grünen hat sich schon in der vergangenen Wahlperiode mit dem Thema beschäftigt, vor Ort Gespräche geführt und auch bei den vorher im Amt befindlichen Entscheidungsträgern auf die Notwendigkeit der Wirtschaftlichkeit hingewiesen.

Bereits 2022 wurden eine Beratungsfirma eingeschaltet, die die Schwachstellen analysierte und Verbesserungsvorschläge machte, von denen einige umgesetzt wurden. Die finanzielle Situation für 2023 entspannte sich sogar und ein leichtes Plus wurde prognostiziert. Allerdings wurde das vollständige Gutachten mit allen Vorschlägen dem Beirat erst jetzt – und auch nur auf Nachfrage – vorgelegt. Was dazu führte, dass erst jetzt klar wird, dass die in dem o.g. Gutachten vorgeschlagenen Maßnahmen nur rudimentär umgesetzt wurden wie z.B. die Küchenzusammenlegung vom Helenenstift und dem Johann-Christian-Reil-Haus oder der gemeinsame Einkauf. Dem Beirat wurde durch den Wirtschaftsplan 2023 sogar suggeriert, dass es ein Plus gäbe. Noch in der Sitzung am 29.06.23 gab es keinen Hinweis auf eine so massive wirtschaftliche Veränderung. Man hat den Beirat im Glauben gelassen, dass alles planmäßig laufe.

Als die Mitglieder des Finanzausschusses erfuhren, dass es ein Defizit von über 300TE geben werde (mittlerweile sind es 583TE), wurde in der darauffolgenden Sitzung u.a. gefordert, dass es im Januar 24 eine Sitzung des Beirates geben sollte, in der Strategien vorgelegt werden. Diese Sitzung fand aber erst am 01.02.2024 statt – auf Antrag der Grünen.
Nunmehr soll die soziale Einrichtung als Sündenbock herhalten für eine völlig verfehlte Geschäftspolitik. Und das alles in einer atemberaubenden Geschwindigkeit. Erst am 11.03.24 schaffte es das Thema wieder auf die Tagesordnung des Pflege- und Betreuungszentrums (PBZ), nunmehr mit dem Ziel, am 31. Mai 2024 den Heimathafen und das Hafenkollektiv zu schließen.

Geist der Rücksichtslosigkeit

Das hohe Tempo trifft eine Gruppe von Menschen, die nun im doppelten Sinne gehandicapt ist und sich nicht wehren kann. Nicht umsonst gibt es in Deutschland u.a. ein Sozialgesetzbuch, in dem der besondere Schutz von Menschen mit Handicap geregelt wird und das auf den verantwortungsvollen Umgang gerade auch mit diesen besonders benachteiligten Menschen zielt. Das hier beim Heimathafen benutzte Verfahren zeigt jedoch eher den Geist der Rücksichtslosigkeit. Im besonderen deswegen, weil zwischen Entscheidung und Vollzug nur wenige Wochen liegen. Ein „Schweinsgalopp“ dieser Art ist genau das Gegenteil von besonderer Rücksichtnahme und Fürsorge, wie sie eigentlich für diese Menschen notwendig wäre.

Wir stellen fest, dass die unverhältnismäßige Eile der Schließung in krassem Gegensatz zu dem Langmut steht, mit dem über einen langen Zeitraum das Anwachsen der Defizite ohne Gegensteuern hingenommen wurden. Hohe Schulden konnten sich nur aufbauen, weil eben nicht zeitgerecht hingeschaut wurde, nicht zeitgerecht gegengesteuert und Alternativen geprüft wurden.

Dazu hätte die Überprüfung der ineffektiven Personalplanung mit den entsprechend hohen Personalkosten gehört. Dazu gehörte auch, ggf. einen neuen Betreiber zu suchen bzw. eine neue Trägerstruktur zu schaffen, die den Vorgaben der Gemeinnützigkeit Rechnung zu tragen hätte. Positive Beispiele mit anderen Projekten und in anderen Landkreisen gibt es durchaus.

Stattdessen werden nun Legenden gestrickt:

1. Der Heimathafen sei nicht genug frequentiert.
Völlig unberücksichtigt scheinen die zahlreichen Nutzer/innen des „Heimathafens“ zu sein. Neben Mittagstisch und Café traf sich eine Gruppe zum Babybrunch und ein Computerclub regelmäßig. Teetafeln (z.B. nach Beerdigungen) haben hier stattgefunden und ein „Trauercafé“ für Personen, die Angehörige verloren haben. Diverse Spielegruppen trafen sich hier auch, z.B. Skatgruppen. Es gab eine ambulante Betreuung für Leute mit handicap, die allein wohnen und hier einen Raum fanden, in dem sie zweimal die Woche z.B. Karten spielten, usw.. Und es gab seit 5 Jahren dort einmal im Quartal auch ein „Repaircafé“.

2. Die Holzwerkstatt bliebe erhalten und ziehe nur um.
Die Holzwerkstatt, das Hafenkollektiv Norderland, fertigte u.a. Produkte aus Treibholz, die qualitativ hochwertig und professionell waren und sowohl in Ostfriesland, als auch bei Tourist*innen großen Anklang fanden und Einnahmen erzielten. Die Wertschätzung dieser Arbeit, die bisher einen wichtigen Punkt im Leben der Menschen mit Handicap ausmachte, ist offenbar nicht vorhanden und kann nicht wiederhergestellt werden. Denn die neuen Räumlichkeiten liegen in einem Gebiet, dass den Betrieb einer Werkstatt auf dem dem bisherigen Niveau wegen des dort geltenden Bebauungsplanes bislang nicht zulässt. Dazu gehören besonders die Nutzung der Maschinen wie Kreissägen, Fräsen und Bohrmaschinen. Das bedeutet für die Betroffenen eine krasse Entwertung ihrer Arbeitsmöglichkeiten und eine Vernichtung von Materialwerten. Der Wert dieser Maschinen liegt im fünfstelligen Bereich, die bei dem geplanten Verkauf bei weitem nicht erzielt werden können. Und damit offenbart sich wieder der eigenwillige Umgang mit Geld und öffentlichen Mitteln. Denn die ganze jetzt überhastete Schliessungsaktion zieht nicht nur die Vernichtung vorhandener Werte nach sich, sondern erfordert auch weitere Ausgaben, z.B. solche für die geplante Umwandlung der bisher genutzten Räumlichkeiten für die neue Verwendung.

3. Der Bootshafen soll es nun richten
Der Bootshafen mit seiner Backwerkstatt ist seit seinem Beginn im Jahr 2020 defizitär. Die Frage wird sein, inwieweit durch genügend Einnahmen zukünftig der drohende Entzug der Gemeinnützigkeit abgewendet werden kann. Oder ob diese Umstrukturierung den Niedergang noch beschleunigt, da in der Werkstatt unter den neuen Bedingungen nur noch marginal produziert werden kann. Die zeitweise Mitnutzung von Maschinen andernorts ist jedenfalls Augenwischerei. Das seit langem versprochene Konzept, wie es wirtschaftlich laufen könnte, muss jetzt endlich zeitnah vorgelegt werden.

 

 

Fazit:
Wir brauchen eine nachvollziehbare Aufarbeitung der jahrelangen Versäumnisse und eine ehrliche Antwort auf die Frage, wie es weitergehen kann, ohne dass schutzbedürftige Menschen auf der Strecke bleiben.

 

 

Sehr geehrter Herr Meinen,

bitte setzen Sie folgenden Beschlussantrag auf die Tagesordnung der kommenden Kreistagssitzung:

Neustart für den Heimathafen

1. Klärung offener Fragen
2. Debatte über den Erhalt bzw. die Wiederbelebung der Einrichtung Heimathafen mit Hafenkollektiv und Bootshafen durch ein tragfähiges Betriebskonzept für die soziale Teilhabe von Menschen mit Handicap
3. die Einrichtung einer AG Heimathafen, die Möglichkeiten einer tragfähigen und dauerhaften Struktur erarbeitet.

Da es sich beim Heimathafen um eine sog. Eigengesellschaft handelt, wurde die gesamte Debatte um die Schließung im nichtöffentlichen Raum geführt, was nun Teil des Problems bei den Entscheidungen und den Konsequenzen für die vulnerable Zielgruppe ist. Nun ist die Debatte aber öffentlich und muss u.E. im Kreistag zu diesen Fragen geführt werden. Zu viele Fragen sind weiterhin offen und müssen geklärt werden – aus der Verantwortung, gerade gegenüber besonders schutzbedürftigen Menschen in unserer Gesellschaft.

Besonders kritikwürdig ist die erstaunliche Geschwindigkeit, hier Fakten zu schaffen nämlich gerade einmal etwa 6 Wochen von der ersten Ankündigung bis zur vollständigen Schließung, während man sich zuvor mehr als ein halbes Jahr Zeit gelassen hat, das Problem anzugehen.
Der „Heimathafen“ ist zu wichtig, um einfach ersatzlos abgewickelt zu werden. Seine Bedeutung, gerade für Menschen mit Handicap, macht einen Neustart notwendig.

Dazu muss es jedoch eine Aufarbeitung der Versäumnisse geben und offene Fragen sind zu klären. In dieser Zeit dürfen keine Tatsachen geschaffen werden, die die Vernichtung der vorhandenen Infrastruktur und damit von Steuergeldern beinhalten.

Offene Fragen sind.:

  • Inwieweit sind in der Vergangenheit Fördermittel beantragt worden z.B. aus den Töpfen für Mehrgenerationenhäuser / Quartiersmanagement e.t.c. ?
  • Wie und ab wann war das Beteiligungsmanagement involviert? Und welche Verantwortung trägt die Dezernatsleitung? Die Geschäftsführung hat man ja entlassen.
  • Welche Alternativmodelle des Betriebs sind geprüft worden? Prüfung der Einbindung von verschiedenen Akteuren, wie z.B. Einbindung
    des Ev.-Luth. Kirchenkreises, der Caritas, die Gründung eines Fördervereins oder einer Stiftung, eine Kommunale Beteiligung?
  • Sind Leerstände in direkter Umgebung geprüft worden, um die Tagespflege als geplante Nachnutzung der Räume des Heimathafens und den Hafenkollektivs dort unterzubringen?
  • Welche räumlichen Alternativen jenseits des Bootshafens sind für die Holzwerkstatt in ihrer Gesamtheit geprüft worden, bei denen die Weiternutzung der Maschinen möglich gewesen wäre?
  • In welcher Form und wann ist der Betriebsrat und der Schwerbehindertenbeauftragte miteinbezogen worden?
  • Sind im Vorfeld und rechtzeitig Vorschläge von Beschäftigten der dort beschäftigten gehandicapten Menschen abgefragt bzw. geprüft worden? Und wenn „ja“, wie sind diese bewertet worden bzw. in die Neukonzeption eingeflossen?
  • Wann wird das seit langem ausstehende Konzept für den Bootshafen vorgelegt?

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